SDBI Freundeskreis / 30. Juli 2013
Selbstvertrauen ist wichtig
Daniel und Markus Freitag über ihr Engagement für den European Fashion Award FASH, ihre Anfänge als Studenten und was eine Auszeichnung bewirkt.
Sie entwarfen als Studierende für sich eine wetterfeste Tasche die bis heute produziert wird. Es gibt oft Studierende mit guten Ideen, doch selten wird daraus ein 160-Mann Unternehmen. Wie wurde Freitag zur Marke?
Markus Freitag: Schon auf der zweiten Tasche stand „Freitag“. Doch zur Marke wurden wir durch die erste große Kopie. Die hiesige Supermarktkette Migros brachte 1997 eine Tasche „Donnerstag“ auf den Markt und weckte damit Widerspruch in den Medien. Wir beide hatten damals gerade zwei Hilfsarbeiter. Diese Kopie hat uns sozusagen zum Original gemacht.
Daniel Freitag: Es wurde plaktiv klar, dass unsere Tasche ein Synonym für eine bestimmte Generation und Lebenseinstellung ist. Ein weiterer Meilenstein war 2006 unser Flagship-Store hier in Zürich aus 19 gebrauchten Frachtcontainern. Wir haben ihn mit der gleichen Mentalität wie unsere Taschen gestaltet. Mir wurde klar: Es sind Werte vorhanden die sich auch auf andere Bereiche anwenden lassen.
Wie wichtig ist es für Sie als Team zu arbeiten? In der Mode feiern ja oft Paare die großen Erfolge, seien es die Brüder Dean und Dan Caten von Dsquared, Albert und Peter Kriemler bei Akris oder Paare wie bei Escada und Prada oder Yves Saint Laurent.
Daniel Freitag: Entscheidungen erhalten durch den Dialog und das partnerschaftliche Arbeiten eine andere Qualität. In gestalterischen Fragen, wo es ja kein richtig und kein falsch gibt, gibt die gegenseitige Bestätigung Sicherheit, lässt einen schneller vorwärts gehen, eher Wagnisse eingehen, hilft aber auch sich zu bremsen, wenn einer selbstverliebt in eine Idee ist.
Markus Freitag: Wenn eine persönliche Beziehung besteht, kann ich direkter und intensiver in den Prozess reingehen als bei einem reinen Geschäftspartner oder Kollegen. Die Schmerzgrenze liegt einfacher etwas höher, vielleicht ist man zu zweit auch ein bisschen besessener. Mit Daniel bin ich vom ersten Tag so umgegangen wie ich es auch mit unseren langjährigen Mitarbeitern bis heute nicht tue.
Warum engagieren Sie sich bei einem Nachwuchspreis für Mode?
Markus Freitag: Wir merken im Unternehmen zunehmend wie wichtig es ist, sich um guten Nachwuchs zu bemühen. Beim European Fashion Award FASH interessiert uns die konzeptionelle Herangehensweise. Es ist für uns relevant und spannend diesen Austausch zu pflegen und die Fühler auszustrecken. Im Gegenzug können wir vielleicht etwas von unserer Erfahrung einbringen.
Daniel Freitag: Freitag bietet Individualität und gleichzeitig die Zugehörigkeit zu einer Markenidentität, genau zwischen diesen Polen spielt ja auch die Mode. Obwohl wir als Produktdesigner arbeiten, sind wir der Mode sehr nahe: Die Freitag Tasche prägt viele Outfits und wird in vielen Modegeschäften verkauft. In Italien wird sie zum Beispiel neben Marken wie Gucci und Prada präsentiert. Unsere Taschen wurden auch schon als „Meilenstein der urban fashion“ ausgezeichnet.
Wir unterschieden uns vor allem durch den saisonalen Zyklus von der Modeindustrie, sonst passt vieles was bei Freitag passiert auch zur Mode und umgekehrt: Die Suche nach Qualität, nach Indiviudalität, die Frage nach dem Produktionsort. Wir versuchen, darauf immer wieder gute Antworten zu finden.
Markus Freitag: Auf der ersten Bread & Butter Messe, 2001 in Köln, haben wir zum Grunge-Look, ungewaschene Freitag Taschen präsentiert.
Nicht zuletzt: Wir haben in den letzten 20 Jahren selber zahlreiche Auszeichnungen erhalten, wovon wir profitiert haben. Jetzt geben wir ein Stück zurück und lernen dabei gleichzeitig talentierten Nachwuchs kennen. Ein Kreislauf beginnt sich zu schließen und Kreisläufe lieben wir bei Freitag.
Es gibt viele Nachwuchspreise für junge Modedesigner. Warum fördert FREITAG den European Fashion Award FASH?
Markus Freitag: Die SDBI ist in der Geschichte verankert. Und es gibt einen Qualitätsanspruch, vom Direktor verkörpert, mit dem ich mich gut identifizieren kann. Den Anspruch den der Preis erhebt, noch relevanter und bekannter zu werden, teilen wir. Nicht zuletzt ist das Netzwerk der SDBI sehr interessant, wie ich im Januar bei einem Besuch in München erleben durfte.
Daniel: Es gibt eine konzeptionelle Nähe zu Freitag. Wenn ich die Mode in den Märkten beobachte, dann gibt es unterschiedliche Auslegungen. Der SDBI geht es nicht nur um Schönheit, sondern sieht auch das Konzept hinter der Mode. Diesen Anspruch, verbunden mit einer internationalen Ausstrahlung, teilen wir. Der European Fashion Award FASH ist weder ein lokales Projekt noch eine gesichtslose globale Geschichte. Beides wäre uns fern. Die Arbeit unserer Gestalter liegt zwischen Mode- und Industriedesign, Kommunikation und Architektur. Beim FASH steht die Identität im Vordergrund, interdisziplinäres Arbeiten ist gewünscht. Das passt also perfekt. Und daher wollen wir durch unser Engagement die jungen Gestalter in ihren Stärken ermutigen. Der Preis ist wirklich am Wohl der Studierenden ausgerichtet. Hier schmücken sich nicht Unternehmen mit deren Kreativität. All das passt zu unserem Freitag Prinzip nachhaltig zu handeln.
Was sind Ihre Hoffnungen?
Markus Freitag: So ein Engagement ist ein Geben und Nehmen. Ich bin gespannt auf die jungen Talente und ihre Sicht von außen. Genauso denken wir, dass der Preisträger der am Ende bei uns ein Praktikum machen wird, viel von unseren Erfahrung profitieren kann.
Daniel Freitag: Bei unseren über 160 Mitarbeitern braucht es natürlich Strukturen. Für kreative Prozesse schaffe ich daher bewusst Räume. Vom Nachwuchs erhoffe ich mir eine gewissen Frische und ein gemeinsames kreatives Arbeiten, wie an einer Hochschule. Wir wachsen jedes Jahr um gut 15 Prozent, wir brauchen also zusätzliche gute Leute.
Ein Ziel dieses Nachwuchspreises ist es den Hochschulen und Studierenden Impulse zu geben. Was für Gestalter braucht Freitag in Zukunft?
Markus Freitag: Talente, die ganzheitlich denken und handeln. Gestalter, die über das Produkt hinaus in Markenwelten denken: Produkt, Herstellung, Geschichte. Dazu etwas unternehmerisches Denken.
Bei der Verleihung des Swiss Awards in der Kategorie Wirtschaft sagten Sie: „Wir wollen nicht nur angesehende Designer inspieren, sondern auch gestandene Unternehmer.“ Warum?
Daniel Freitag: Wo das Kreative auf die Realität des Verkaufs trifft, da entsteht eine Reibungsfläche. Wir merken, es braucht beides: die betriebswirtschaftliche Perspektive wie auch die Suche nach dem inhaltlichen Kern. Der Stellenwert der Kreation muss im Herzen der Unternehmung platziert sein, denn das macht eine Marke erst individuell.
Rolf Fehlbaum, der Eigentümer von Vitra sagte mir in einem Interview: „Ich bin verantwortlich für die Differenz. Ich kann den Teil geben, wo das Unternehmen anders ist als andere. Und meine Kollegen können das besser, wo das Unternehmen ähnlich ist: Technik, Organisation, Marketing.“ Sie machen es ja ähnlich, indem Sie als Gestalter und Inhaber eine Geschäftsführerin eingestellt haben. Wie weit kann es ein Modell sein für andere Unternehmen?
Markus Freitag: Uns freut es schon, dass wir als Gestalter Manager beschäftigen können, statt wie üblich andersrum. Dafür braucht das Management eine andere Bereitschaft für den Dialog und nicht den typischen Corporategeist. Dies ist nicht einfach zu finden.
Daniel Freitag: In vielen Unternehmen denkt man Design als dekoratives Styling. Unsere Erfahrung ist, dass es eine große Chance ist, wenn man strategisches Designmanagement in die Geschäftsprozesse integriert.
Sie haben mit über 20 Auszeichungen viel Ruhm und Ehre erhalten: Fluch oder Segen?
Daniel Freitag: Für Freitag darf man es schon als Segen bezeichnen und mir tut die Bestätigung gut. Umgekehrt sind wir beide jeweils unsere größten Kritiker. Wir sind zwei Brüder die sich immer wieder in Frage stellen. So dass wir trotz den Ehrungen immer noch sehen, was man tun möchte und wo es Potential gibt.
Als erfahrene Preisträger: Was bringt ein Sieg beim European Fashion Award FASH?
Markus Freitag: Glaubwürdigkeit! Diesen Preis gewinnt man ja nicht, weil man sich gut verkaufen kann, sondern weil die Arbeit Substanz hat. Der Entscheid ist keine Geschmackssache einer Person und auch nicht Ad-hoc nach einer Schau gefallen, sondern eine Fachjury bewertet die Arbeiten zwei Tage und diskutiert aus verschiedenen Perspektiven wer der Beste ist. Dieser Preis hat daher Gewicht und ist ein Qualitätssiegel, nicht zuletzt, weil es Eigeninitative braucht mitzumachen.
Die Preisträger erleben eine starke Motivation, treten aus der Anonymität heraus, haben ein Bonos bei Bewerbungen und die Chance, dass sich neue Türen öffnen – nicht zuletzt bis hin zu Mentorenschaft. Hier wollen wir versuchen unseren Teil beizutragen, so wie in diesem Jahr bei einem Portofilio-Workshop.
Daniel Freitag: So eine Auszeichnung macht Mut und man wird sich seiner Qualitäten bewusst. Selbstvertrauen ist wichtig in unserem Beruf und in dieser toughen Zeit. Man reflektiert und hält inne: gibt es eine Essenz die ich weitertragen möchte? Was macht meine Persönlichkeit, meine Handschrift aus? Ohne die Auszeichnung besteht die Gefahr, dass man sich von Kollektion zu Kollektion neu erfindet.
Wie wichtig ist Ihnen Glamour?
Markus Freitag: Das wird an uns herangetragen, aber das Bad in der Menge brauche ich nicht. Wir fahren mit dem Fahrrad über den roten Teppich um möglichst schnell vorbeizukommen. Als Schweizer haben wir den Bling-Bling Faktor sowieso nicht so im Blut.
Daniel Freitg: Ich habe nichts gegen den glamourösen Auftritt, der gehört dazu, es stellt sich nur die Frage: kommt noch mehr? Tiefe und Gehalt bei solchen Anlässen herauszuspüren ist ja schwierig.
Herzlichen Dank!
Freitag: Recycled Individual Products for urban people
Freitag fertigt seit 1993 Taschen und Accessoires aus gebrauchten LKW Planen. Jede Plane hat ihre eigene Geschichte, ist unterschiedlich beansprucht worden und hat daher ein unverwechselbares Aussehen. Die Taschen werden von Hand in Zürich zugeschnitten und erhalten, abhängig von der Farbe, den Schriftzügen und dem Design der Plane, ihren individuellen Look. 2003 nahm das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) die erste Tasche, die F13 Top Cat, in ihre ständige Sammlung auf. Das Design-Museum Zürich widmete Freitag sogar eine Ausstellung als Modell der Kreativwirtschaft.
Heute fertigen 160 Mitarbeiter jährlich 400.000 Produkte die in 450 Läden in 25 Ländern, zehn eigenen F-Stores sowie online verkauft werden. Pro Jahr wächst Freitag um 15 Prozent, so dass ein neuer Firmensitz, nur wenige S-Bahn Minuten vom Hauptbahnhof und Flughafen entfernt, bezogen wurde. Im von FREITAG initiierten Gewerbehaus NOERD hat es eine Kantine, wo man auch Mitarbeiter anderer kreativer Unternehmen trifft.
Bei Freitag wurde auch der Prozess der Produktentwicklung gestaltet. Neben einem optimalen Projektmanagement gilt es die kommerziellen und kreativen Interessen auszuloten. Freitag handelt nachhaltig und in Kreisläufen. Die Markenvision lautet „We believe in the next life of things. That’s why we think and act in cycles – and cycle“. Dieses Credo ist auch die Richtschnur für die Expansion wie auch bei der Ausdehnung der Marke in neue Geschäftsfelder.
Seit 2013 ist Freitag Mitglied des Freundeskreises der SDBI.
www.freitag.ch
Interview: Joachim Schirrmacher
Fotos: Oliver Hischier/SDBI