Ioana Ciolacu Miron, FASH 2011 / 4. Juli 2013
Alles wurde anders
Ioana Ciolacu Miron, Gewinnerin des 2. Preises bei FASH 2011, wurde auf der Berliner Modewoche im Juli von Stella McCartney zum „Designer for Tomorrow“ (DfT) gekrönt. Im Gespräch mit SDBI Direktor Joachim Schirrmacher schildert sie, wie es dazu kam.
Einen Tag nach der DfT-Preisverleihung wollen alle wissen: wie fühlen Sie sich? Sie sagten mir, dass Sie hinter der Bühne gar nicht mitbekommen haben, dass Sie die Siegerin sind. Man hat Sie quasi auf den Laufsteg geschoben.
Ioana Ciolacu Miron: Oh Gott, ich habe gewonnen! Ich habe gewonnen! Ein Traum wird wahr! Ich bin diejenige, die gewonnen hat, jetzt schaut jeder zu mir auf! Genauso, wie ich zu Alexandra Kiesel, als sie den DfT vor zwei Jahren gewann. Ich bin ein großer Fan von ihr und ihrer Arbeit. Und jetzt bin ich dran! Ich kann es noch gar nicht glauben. Alles ging so schnell und war so emotional, ich stand richtig neben mir. Jetzt, einen Tag danach, komme ich langsam wieder in der Realität an.
Wie sah der Weg zu diesem Erfolg aus? Vom Architekturstudium, der Entscheidung, doch Mode zu studieren, über den European Fashion Award FASH 2011 bis heute.
Im fünften Jahr meines Architekturstudiums habe ich gemerkt, dass es nicht das Richtige für mich war. Man braucht viel mehr technisches Verständnis und eine ganz andere Herangehensweise. Und in meinem Heimatland Rumänien sind die Möglichkeiten, wirklich schöne Gebäuden zu bauen, eher gering. Aber ich komme aus einer Architektenfamilie, deshalb habe ich lange versucht durchzuhalten, bis ich gemerkt habe: ich muss etwas ändern, denn ich war nicht glücklich. Es gab zwei Möglichkeiten für mich, Mode oder Bühnenbild. Und die Universitatea Nationala de Arte war näher an meiner Wohnung.
Sie sind ein wenig bequem?
Ja (lacht), das war einer der Gründe. Aber ich habe schon immer eine Beziehung zu Mode gehabt. Nach meinem Architekturdiplom habe ich mit dem Modestudium angefangen. Ich hatte etwas freie Zeit und mich für den European Fashion Award FASH angemeldet. Die zwei Outfits, die ich für FASH 2011 entworfen habe, war mein erstes Projekt außerhalb der Schule. Und dann wurde alles anders.
Was hat der 2. Preis FASH 2011 für Sie verändert?
Mein Leben, meine Haltung. Als Sie mich im November 2010 anriefen und mitteilten, dass ich eine der Preisträgerin bin, bin total ausgeflippt. Mir wurde klar, dass ich wirklich ein Talent für Mode habe.
Der European Fashion Award FASH hat Ihr Selbstbewusstsein gestärkt?
Ja! Dazu haben auch all die guten Erfahrungen beigetragen: zuerst beim Fotoshooting in Berlin, dann einige Wochen bei der Preisverleihung. Alle waren so freundlich zu mir: der Fotograf Gregor Hohenberg, alle auf der ISPO MUNICH, dazu die vielen Kontakte und der Austausch mit den anderen FASH-Gewinnern. Und ich war nicht darauf vorbereitet, was mich zuhause erwartete. All die Aufmerksamkeit die mit zuteil wurde, schön aber ziemlich stressig.
Was ist passiert?
Ich bekam sehr viel Aufmerksamkeit von der Presse. Ganz Rumänien war sehr an mir interessiert. Die sehr professionelle Pressemitteilung der SDBI mit den Bildern vom Fotoshooting, so etwas gibt es in Rumänien sonst nicht für Designer. Alle Medien haben die Informationen und Bilder übernommen und sie hervorragend präsentiert. Alle haben mich angerufen. Alle! Ich musste so viele Interviews geben. Von einem Tag zum anderen war ich damit ziemlich beschäftigt, und später auch ein bisschen hilflos. Denn es wurde mir klar, dass ich mich weiterentwickeln musste, um neue Ideen und Designs zu produzieren. Und dann war da noch mein Diplom an der Universität. Ich wusste nicht, wo ich anfangen soll. Es war eine verrückte Zeit (ganz leise).
Heute bin ich nicht mehr zufrieden mit den Entwürfen, die ich damals gemacht habe, auch nicht mit meinem Diplom. Alles musste innerhalb kürzester Zeit geschehen und war extrem hektisch.
Ihr Diplom war nun nicht mehr so wichtig?
Genau, es musste einfach gemacht werden. Und dann habe ich ich mich neu organisiert, um weiter natürlich zu bleiben und kreativ sein zu können.
Ich habe mich selbstständig gemacht und ein Netzwerk aufgebaut. Ich wusste ja nun, wie wichtig professionelle PR ist. Aber ich hatte keinen Investor oder jemanden, der die Kosten übernehmen konnte. Ich habe dann versucht, mit meinen Entwürfen für die Medien interessant zu bleiben. Ich habe alles selbst gemacht und eine kleine Kollektion kreiert. Ich hatte mich für Streetwear entschieden, weil ich davon leben wollte. Und es hat funktioniert: alle haben bei mir gekauft. Ich habe gutes Geld verdient, es wieder investiert, und mehr produziert. Das war echt toll.
Ich nahm an Messen teil, produzierte zwei weitere Kollektionen, einen Modefilm, und habe meine Webseite ioanaciolacu.com eingerichtet. Und ich wurde zu Schauen eingeladen. Ich habe eine weitere Kollektion für den Catwalk beim „Avanpremiere Fest“ entworfen. Es fand im National Museum of Contemporary Art statt, einem tollen Gebäude, und es gab wieder eine gute Präsenz in den Medien. Viele, nicht nur meine Freunde, kauften meine Kollektion. Aber die Währung in Rumänien ist schwächer als der Euro, daher habe ich meine Preise niedrig kalkuliert und alles selber produziert.
Erinnern Sie sich noch an meine Tutorin an der Universitatea Nationala de Arte?
Die Deutsche Katja Perrey?
Sie schlug mir vor, als ihre Assistentin an der Universität zu arbeiten. Ich fing im September 2011 an, habe tolle Erfahrungen gemacht und sehr talentierte Leute getroffen. Ich fragte einen der Studenten – sehr begabt –, ob er mir helfen will. Es gab so viel zu produzieren, dass ich es nicht mehr allein geschafft habe. Da ich kein Geld hatte, fragte ich ihn ob er als Praktikant anfangen will. Alexandru Tunsu sagte zu und wir haben beide sehr viel von einander gelernt. Aber ich hatte ein schlechtes Gewissen, er war ja noch an der Uni und hat meistens bis spät in die Nacht für mich gearbeitet. Daher habe ich ihm zehn Prozent der Einnahmen von unserer gemeinsamen Arbeit angeboten, zum Beispiel von dem was wir auf Messen verkauften. Das war am Ende mehr als ein Praktikant normalerweise bekommt. Ich glaube, es ist wichtig, menschlich zu sein. Die Modeindustrie ist sehr oberflächlich. Alexandru Tunsu hat mir sehr geholfen. Er ist so enthusiastisch und hat mir viel Energie gegeben.
Was macht er jetzt?
Er hat letzten Monat seinen Abschluss gemacht und schon seine erste Kollektion mit 12 Outfits beim „Avanpremiere Fest“ im Juni gezeigt. Ich habe ihm alle meine Kontakte gegeben und ihn in mein Netzwerk eingeführt. Jetzt kennt er viele Journalisten und hat schon die Sichtbarkeit, die ich vor ein oder zwei Jahren hatte.
Wie haben Sie das Stipendium zum Masterstudium in London bekommen?
Ich war auf der besten Modeschule, die es in Rumänien gibt. Aber auch hier sind die Ressourcen begrenzt und die Lehrenden haben nicht immer genug Erfahrung. Es war für mich notwendig, mit Leute zu arbeiten, von denen ich etwas lernen kann.
Ich habe mich bei St.Martins und dem London College of Fashion (LCS) beworben. Beide sind Teil der gleichen Universität, aber LCS ist mehr technisch- und industriebezogen, und St.Martins ist eher künstlerisch orientiert. Ich entschied mich für LCS, weil man mir ein Stipendium gab, und weil es die beste Mischung von Kreativität und Industrie verkörpert. Dort studiere ich seit September 2012.
Wissen Sie, warum Sie das Stipendium erhielten?
Das hat man mir nicht gesagt. Das Stipendium ist ein Rector’s Scholarship, das die Studiengebühren von normalerweise 5.000 Pfund übernimmt.
Sie müssen also neben dem Studium noch für Ihren Lebensunterhalt arbeiten?
Ich bin den ganzen Tag in der Uni und im Studio. Da bleibt keine Zeit, um beispielsweise zu kellnern. Glücklicherweise arbeitet mein Freund Alexandru Mistretu und kann mich unterstützen.
Jetzt verstehe ich. Sie sagten mir, dass Sie zum großen Teil Ihrem Freund den DfT Gewinn zu verdanken haben.
Und meinem Vater, er unterstützt mich ebenfalls. Ich habe einfach keine Zeit für anderes und kann mich auf mein Studium konzentrieren.
Der letzte Schritt in Ihrer bisherigen Karriere war die Bewerbung für den DfT?
Ich habe das erste Mal vom DfT gehört, als ich Alexandra Kiesel entdeckte. Mir gefällt, wie DfT den Preis präsentieren. Es ist wirklich toll, Marc Jacobs oder Stella McCartney als Schirmherr zu haben. Ich habe mich 2012 beworben, aber ohne Erfolg. Ich war nicht einmal in den Top 30. Damals war Marc Jacobs der Schirmherr. Ich glaube, er machte die Auswahl der Designer. Vielleicht suchte er nach jemandem, der glamouröser oder künstlerischer war? Da ich den Newsletter bekam, habe ich mich dieses Jahr noch einmal mit der neuen Kollektion „Paradox“ beworben. Und dieses Jahr wurde ich aus 350 Bewerbern nominiert, wie Sie wissen.
Was raten Sie Studierenden, die nun Sie bewundern, so wie Sie Alexandra Kiesel bewunderten?
Nun, Talent allein ist nicht unbedingt das wichtigste für eine Karriere als Modedesigner. Man braucht ein bisschen Talent und einen Händchen fürs Geschäft, aber das Wichtigste ist, dass man auf dem Boden der Tatsachen bleibt und hart arbeitet. Und wenn man wirklich eine große Leidenschaft für Mode hat: habt keine Angst vor der vielen Arbeit, die es braucht um an seriösen Wettbewerben teilzunehmen. Sie ist es auf jeden Fall wert!